Drei Siege zur Halbzeit im Europaparlament

Es ist jetzt zweieinhalb Jahre her seit den Wahlen zum Europaparlament von 2009, in denen ich als Mitgleid der schwedischen Piratenpartei ins Parlament gewählt wurde. Wenn das Parlament nach den Feiertagen die Arbeit wieder aufnimmt, beginnt die zweite Halbzeit der Legislaturperiode.

Was hat die Piratenpartei in dieser ersten Halbzeit nun erreicht? Ich möchte drei Erfolge hervorheben bei denen es klar ist, dass wir einen Unterschied gemacht haben.

1. Die Telekom-Reform war der erste große Test der Piratenpolitik, direkt nach meiner Wahl zum Mitglied des Europaparlaments (MEP). Die gesamte Telekom-Reform war fast fertiggestellt da sie bereits während der vorangegangenen Legislaturperiode verhandelt worden war. Was verblieb war ein einziger Punkt, der unter dem Titel “Anhang 138” öffentlich verhandelt wurde. Es ging darum, ob ein Bürger vom Netz getrennt werden kann (beispielsweise weil er Filesharing betrieben hatte) und welche Garantien für ein ordentliches Verfahren der einzelne in einem solchen Fall haben würde.

ÜBERSETZTER ARTIKEL
Dies ist ein übersetzter Artikel basierend auf der englischen Übersetzung des schwedischen Originals, das hier verfügbar ist.

Zum Zeitpunkt als ich meine Tätigkeit als MEP aufnahm, war die Telekom-Reform in einer Phase angelangt, die als “Schlichtung” bezeichnet wird. Darunter ist zu verstehen, dass eine 27-köpfige Delegation des Europaparlaments mit den Mitgliedern des Europäischen Ministerrats und der Europäischen Kommission über den endgültigen Wortlaut des Gesetzes verhandelt. (Ja, es ist merkwürdig, dass die gewählte Legislative gezwungen wird mit nicht vom Volk gewählten Beamten zu verhandeln um Gesetze verabschieden zu können — aber so ist die EU organisiert.)

Ich war Teil dieser 27-köpfigen Delegation des Parlaments und habe mich dafür eingesetzt, dass niemand überhaupt vom Netz getrennt werden darf. Für den Fall, dass dies doch eintritt muss es zumindest einen vor einem unabhängigen Gericht geführten Prozess geben inklusive des Rechts des Angeklagten, gehört zu werden, bevor eine Netztrennung durchgeführt werden darf.

Schlussendlich haben wir diesen Kampf gewonnen und so starke Garantien für ein ordentliches Verfahren erhalten wie es gesetzlich möglich ist. Wir haben gewonnen weil viele Aktivisten im Netz die Meinung der Öffentlichkeit beeinflusst haben, die Druck auf die anderen MEPs ausgeübt haben indem sie ihnen Mails geschrieben haben und auch auf andere Art Kontakt mit ihnen aufgenommen haben. Aufgrund dieses Drucks waren die anderen MEPs daran interessiert zu hören, was ich zu diesen Themen zu sagen hatte, da sie wussten, dass ich als Representant der Piratenpartei erklären konnte, was die Netzaktivisten eigentlich wollten. Diese Kombination aus externem Druck der öffentlichen Meinung mit jemandem im innern hat in diesem Fall sehr gut funktioniert.

2. Bücher für Sehbehinderte (Link ist in Englisch) wo wir einen großen Sieg errungen haben indem das Europaparlament seine öffentliche Unterstützung für eine verbindliche internationale Übereinkunft zum Ausdruck gebracht hat, die sehbehinderten Menschen über Ländergrenzen hinweg Zugang zu Büchern in ihnen zugänglichen Formaten zusichert. Diese Vereinbarung ist etwas, das Verbände der Sehbehinderten schon seit Jahrzehnten verlangen, das die Verlage und die Urheberrechts-Lobby jedoch mit allen Mitteln bekämpfen.

Diese Erklärung über die öffentliche Unterstützung des Europaparlaments beruhte auf meiner Initiative, die daraus bestand einen Anhang zu einem Bericht über den Kultursektor der Zukunft einzureichen. (Dies ist der einzig gangbare Weg: Weder das Europaparlament als ganzes noch einzelne MEPs haben das Recht, eigene Initiativen zu ergreifen in dem Sinne, eigene Gesetzesvorschläge über neue Themen ins Parlament einzubringen. Stattdessen können wir Vorschläge für Anhänge oder Änderungen zu den Berichten der Europäischen Kommission einreichen).

Der Anhang, den ich geschrieben habe, wurde zuerst vom Komitee für Rechtsangelegenheiten, JURI (in dem ich Mitglied bin), angenommen und dann vom Komitee für Kulturangelegenheiten, CULT, und schließlich von gesamten Parlament. Die öffentliche Unterstützungserklärung des Europaparlaments ist gesetzlich nicht bindend. Jedoch meinten die Vertreter der Verbände der Sehbehinderten mit denen ich zusammengearbeitet hatte, dass sie dies als Sieg und sehr wertvollen Schritt in die richtige Richtung ansehen. Insbesondere bedeutet es sehr viel für die Motivation ihrer eigenen Aktivisten.

3. Im Oktober 2011 hat die grüne Fraktion im Europaparlament das Programm der Piratenpartei übernommen (Link in Englisch) in Bezug auf die Reform des Urheberrechts und Filesharing. Die Hauptpunkte dieser Politik sind die Legalisierung von Filesharing und jeglicher nichtkommerzieller Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte, auf 20 Jahre ab Publikation verkürzte kommerzielle Auswertungsrechte, Registrierung aller Werke für die die Exklusivität jenseits von fünf Jahren nach Veröffentlichung erhalten werden soll, kostenlose Nutzung von Ausschnitten von Werken und ein Verbot von DRM.

Dieser Sieg ist derjenige, über den ich am meisten Stolz empfinde und den ich als am wichtigsten ansehe obwohl (bisher) keine konkreten Gesetze oder öffentliche Stellungsnahmen des gesamten Europaparlaments daraus hervorgegangen sind.

Der Grund für diese Einschätzung ist ein rein mathematischer. Bisher bin ich der einzige Repräsentant einer Piratenpartei unter den 736 Mitgliedern des Europapparlaments. Dies entspricht 0,14 Prozent der Stimmen im Parlament. Für die restliche Legislaturperiode — jetzt da es Amelia Andersdotter endlich gestattet wurde, Ihre Arbeit als zweite Vertreterin der Piratenpartei aufzunehmen — werden wir zwei von 754 Stimmen haben. Dies ist fast eine Verdoppelung aber trotzdem haben wir zu zweit nur 0,27 Prozent der Stimmen.

Um eine Mehrheit für die politischen Inhalte der Piratenpartei zu erreichen, müssen wir viele MEPs aus mehreren anderen Fraktionen mit ins Boot holen. In manchen Fällen — wie den beiden oben genannten — kann man durch taktisch geschicktes Verhalten eine Mehrheit erzielen. Um jedoch die Mehrheit unserer Positionen in Gesetze umzuwandeln benötigen wir eine Änderung der Einstellung der Mehrheit unserer Parlamentskollegen.

Daher sehe ich es als unsere Aufgabe als Vertreter der Piratenpartei im Europaparlament an, der sprichwörtliche Tropfen zu sein, der den Stein höhlt. Wir werden bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass die aktuelle Urheberrechts-Gesetzgebung in einer Sackgasse steckt und dass es bessere Wege gibt. Im Laufe der Zeit werden wir eine ausreichend große Zahl unserer Parlamentskollegen dazu bringen, uns zuzuhören und sie überzeugen.

Dies ist eine große Aufgabe, die Zeit benötigen wird. Aber dies war uns von Anfang an bewusst. Mit den Erfahrungen aus der ersten Halbzeit der Legislaturperiode bis ich zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass wir am Ende gewinnen werden selbst wenn der Weg dahin noch lang ist.

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